Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) regelt in § 87 Abs. 1 umfassende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in verschiedenen sozialen Angelegenheiten. Voraussetzung für die Mitbestimmung ist aber stets, dass keine gesetzliche oder tarifliche Regelung existiert, die diesen Bereich bereits abschließend abdeckt. Das BAG hat in einem aktuellen Beschluss seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass nicht nur ein Gesetz oder ein Tarifvertrag die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats beschneiden kann, sondern auch ein Verwaltungsakt.
Folgender Fall stand zur Diskussion: In die am 1. Juli 2005 erteilte Betriebserlaubnis einer öffentlichen Spielbank in Berlin hatte die Senatsverwaltung für Finanzen in § 9 eine ausführliche Vorschrift zur Videoüberwachung aufgenommen. Darin hieß es unter anderem:
„Der Spielbankunternehmer hat Spielverlauf und die hiermit verbundenen Kassen- und Zahlungsvorgänge durch Videokameras zu überwachen (Videoüberwachung) und auf geeigneten Datenträgern aufzuzeichnen (Videoaufzeichnung).” Weiter hieß es: „Videoaufzeichnungen sind auf Ersuchen der Steueraufsicht heranzuziehen zur Klärung von Kulanzzahlungen, Streitsätzen, Jeton-Diebstahl und ähnlich gelagerten Fällen.”
Im Jahr 2010 beschloss eine Einigungsstelle durch Spruch eine „Betriebsvereinbarung über die Anwendung, Änderung und Erweiterung der Systeme der Videoüberwachung” in der Spielbank (BV Video). Darin geregelt waren unter anderem Anlässe und Verfahren für die Anzeige von Aufzeichnungen. Die Spielbank beantragte vor Gericht die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs mit dem Argument, die Einigungsstelle habe ihre Regelungsmacht überschritten. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entsprach diesem Antrag. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wegen der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs wurde vom BAG als unbegründet zurückgewiesen.
Auch die BAG-Richter waren nämlich der Meinung, dass die Einigungsstelle bei der Ausgestaltung der Videoüberwachung ihre Regelungsbefugnis zu weit ausgedehnt habe. Zwar seien Betriebsparteien und Einigungsstelle nach § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG grundsätzlich befugt, Regelungen über die Ein- und Durchführung einer Videoüberwachung zu treffen. Dies gelte aber nur, soweit keine entsprechende gesetzliche oder tarifliche Regelung bestehe (§ 87 Abs. 1 BetrVG). Eine die Mitbestimmung einschränkende Bindung des Arbeitgebers könne sich aber auch aus einem Verwaltungsakt ergeben, wenn dieser den Arbeitgeber verpflichte, eine bestimmte Maßnahme vorzunehmen oder zu unterlassen. Nur wenn dem Arbeitgeber ein Gestaltungsspielraum verbleibe, könne für den Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht erwachsen. Wenn der Arbeitgeber aber gesetzliche oder ähnliche Vorschriften zu befolgen habe, bestehe ein solcher Freiraum nicht.
(BAG vom 11. Dezember 2012 – 1 ABR 78/11)