Auch Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgeber vor einer fristlosen (Eigen-)Kündigung abmahnen. Es gilt der Grundsatz, dass der Gegenseite eine Chance auf Besserung gewährt werden muss, bevor die vertragliche Beziehung beendet wird. Diese ständige arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat das Arbeitsgericht Berlin jüngst bestätigt.
Nach Auffassung der Berliner Richter entfällt die Abmahnpflicht auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter zu einer hohen Anzahl von Überstunden herangezogen und damit wiederholt gegen arbeitsrechtliche Schutzgesetze verstoßen hat.
Zu entscheiden war der Fall eines angestellten Finanzbuchhalters, der insbesondere wegen seiner 750 geleisteten Überstunden aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden wollte. Der Buchhalter hatte seinem Arbeitgeber folgenden Deal vorgeschlagen: Wenn ihm die Möglichkeit zum sofortigen Ausscheiden aus der Firma gegeben werde, sei sein neuer Arbeitgeber bereit, eine Zeitarbeitskraft zu finanzieren, die ihn für die Dauer der vertraglichen Kündigungsfrist vertreten werde. Sein Arbeitgeber ging auf den Vorschlag nicht ein. Daraufhin kündigte der Mitarbeiter fristlos.
Das Arbeitsgericht Berlin hielt die fristlose Kündigung für unwirksam. Zwar könnten monatelange Überstunden, die die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes überschreiten, durchaus eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Nichtsdestotrotz müsse der Angestellte seinem Arbeitgeber aber die Möglichkeit geben, sein Fehlverhalten zu ändern. So könne er seinen Arbeitgeber beispielsweise dazu anhalten, die Grenzen seiner Belastbarkeit zu respektieren, um die Arbeitsbeziehung aufrechtzuerhalten. Seit der Schuldrechtsreform im Jahre 2002 ergebe sich das Abmahnerfordernis sogar aus dem Gesetz (§ 314 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).
(Arbeitsgericht Berlin vom 4. Januar 2013 – 28 Ca 16836/12)
Tipp für die Praxis:
Der Grundsatz, dass dem Vertragspartner die Chance zur Besserung eingeräumt werden muss, gilt im Arbeitsrecht auch im Bereich des sogenannten „Whistleblowings“. Will der Arbeitnehmer Missstände bei seinem Arbeitgeber bei zuständigen Stellen innerhalb oder außerhalb des Unternehmens rügen, muss er zuvor eine interne Klärung versucht haben. (siehe dazu unser CMS Update Arbeitsrecht Ausgabe März 2013) |