Die Kündigung alkoholkranker Mitarbeiter gestaltet sich in der Praxis häufig schwierig. Bei einer Alkoholerkrankung im medizinischen Sinne sind die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung heranzuziehen. Grundsätzlich kann Alkoholikern mithin gekündigt werden, wenn
1. | im Kündigungszeitpunkt die Prognose gerechtfertigt ist, dass der erkrankte Mitarbeiter seine vertraglich geschuldete Leistung dauerhaft nicht erbringen kann. Maßgeblich für diese Prognose ist bei Alkoholikern, ob die Bereitschaft besteht, eine Entziehungskur zu machen. Lehnt der Mitarbeiter dies ab, so darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass in absehbarer Zeit nicht mit einer Besserung zu rechnen ist. |
2. | mit der Alkoholerkrankung eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen einhergeht. Neben beträchtlichen Fehlzeiten kommt hier auch in Betracht, dass die Verrichtung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit mit einer beachtlichen Selbst- oder Fremdgefährdung des Mitarbeiters oder dritter Personen einhergeht. |
3. | eine eingehende Interessenabwägung insbesondere unter Berücksichtigung der Sozialdaten und des Gefährdungspotenzials des Mitarbeiters sowie eventueller Umsetzungsmöglichkeiten stattgefunden hat. |
In einer Entscheidung aus dem Frühjahr hat das BAG die Kündigung eines alkoholkranken Hofmitarbeiters in einem Entsorgungsunternehmen als wirksam angesehen. Ausschlaggebend waren hier die Tatsachen, dass der Mitarbeiter zum einen nach einer stationären Entwöhnungskur wieder rückfällig geworden war und dass er zum anderen mit schweren Fahrzeugen von bis zu 35 Tonnen Gewicht arbeiten musste. Im Übrigen bestanden für den erkrankten Mitarbeiter keine Umsetzungmöglichkeiten. (BAG vom 20. März 2014 – 2 AZR 565 / 12)
Er hatte über den Fall eines Organisten in einer katholischen Pfarrgemeinde in Essen zu entscheiden. 1994 trennte dieser sich von seiner Ehefrau und lebte ab 1995 mit einer neuen Partnerin zusammen. Diese bekam später ein Kind von ihm. Die Gemeinde kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin wegen Ehebruchs und Bigamie. Dagegen wehrte sich der Mann – nachdem er vor Landesarbeitsgericht und Bundesarbeitsgericht gescheitert war – vor dem EGMR.
Im Jahr 2010 monierte der EGMR zunächst, dass eine fundierte Begründung dafür fehle, warum die Tätigkeit des Organisten so eng mit der Mission der katholischen Kirche verbunden sei, dass diese ihn nicht weiter beschäftigen könne, ohne jede Glaubwürdigkeit zu verlieren. Zudem hätten die Arbeitsrichter den Schutz des Familienlebens aus Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht hinreichend gewürdigt. Ebenfalls sei nicht berücksichtigt worden, dass der Mann außerhalb der katholischen Kirche als Organist kaum Chancen auf Einstellung habe. Die Tatsache, dass dieser sich arbeitsvertraglich zur Loyalität gegenüber der Kirche verpflichtet habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Hierdurch habe er zwar sein Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in gewissem Maße eingeschränkt; der Abschluss des Arbeitsvertrags könne aber nicht als eindeutiges Versprechen verstanden werden, im Falle einer Trennung oder Scheidung ein enthaltsames Leben zu führen (EGMR vom 23. September 2010 – Beschwerde Nr. 1620 / 03). Mit Urteil vom 28. Juni 2012 sprach der EGMR dem Organisten schließlich eine Entschädigung in Höhe von EUR 40 000 wegen Verletzung von Artikel 8 EMRK zu (Urteil vom 28. Juni 2012 1620 / 03).
Inzwischen ist der Fall wieder vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf angekommen, da der Organist auf Wiedereinstellung bei der Kirchengemeinde zum 23. September 2010 geklagt hatte. Die Richter lehnten dies im Ergebnis ab. Zwar komme im Falle eines festgestellten Verstoßes gegen die EMRK ein Wiedereinstellungsanspruch grundsätzlich in Betracht. Der Kirchenmusiker habe diesen auch rechtzeitig geltend gemacht. Der Entschädigungsanspruch schließe den Wiedereinstellungsanspruch ebenfalls nicht aus. Allerdings folge der Wiedereinstellungsanspruch nicht automatisch aus dem festgestellten Verstoß gegen die EMRK. Vielmehr habe eine Abwägung mit dem gleichfalls von der EMRK geschützten Rechtsgut der Rechtssicherheit stattzufinden, welches in diesem Fall zugunsten der Kirche zu Buche schlage. Wegen der besonderen Bedeutung des Falls ließ das LAG die Revision zu. (LAG Düsseldorf vom 5. Juni 2014 – 11 Sa 1484 / 13)