Auch wenn der EuGH ausdrücklich nur davon spricht, dass Fremdgeschäftsführer bei den Schwellenwerten von § 17 Abs. 1 KSchG zu berücksichtigen sind, stellt sich die Frage, ob diese Rechtsprechung auch i. R. v. § 17 Abs. 2 KSchG gilt, ob also Betriebsrat und Arbeitgeber nunmehr auch zu beraten haben, wie die Kündigung des Geschäftsführers vermieden werden kann. Dies wäre ein absolutes Novum im deutschen Arbeitsrecht.
Bereits im Fall „Danosa“ (Urt. v. 11. November 2010 − C-232 / 09) hat der EuGH entschieden, dass schwangere Fremdgeschäftsführerinnen als „Arbeitnehmerinnen“ zu qualifizieren sind und daher Kündigungsschutz genießen. Diese Rechtsprechung wird durch den Fall „Balkaya“ nun fortgesetzt. Abzuwarten bleibt daher, ob künftig auch in anderen Bereichen, in denen deutsche Gesetze auf europarechtlichen Richtlinien beruhen, Fremdgeschäftsführer bisher allein „normalen“ Arbeitnehmern zugedachte Ansprüche geltend machen können, z. B. im Urlaubsrecht oder bei Betriebsübergängen. Plant ein Arbeitgeber eine Massenentlassung, so muss er dies ab einer gewissen Anzahl von betroffenen Mitarbeitern der zuständigen Agentur für Arbeit vor Kündigungsausspruch anzeigen. Die jeweiligen Schwellenwerte ergeben sich aus § 17 KSchG. Ist diese sogenannte Massenentlassungsanzeige fehlerhaft, etwa weil die Anzahl der zu kündigenden Mitarbeiter falsch angegeben wird, kann auch die jeweilige Kündigung unwirksam sein.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in diesem Zusammenhang jüngst entschieden, dass bei den Schwellenwerten zur Massenentlassung nach § 17 KSchG Fremdgeschäftsführer und Praktikanten, deren Vergütung aus öffentlichen Mitteln bestritten wird, mitzuzählen sind. Das Arbeitsgericht Verden hatte den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht. Die Arbeitsrichter wollten wissen, ob die Schwellenwerte im zu entscheidenden Sachverhalt erreicht wurden und somit eine Massenentlassungsanzeige erforderlich war. Hierfür kam es unter anderem darauf an, ob der Fremdgeschäftsführer des Unternehmens und eine Praktikantin, deren Vergütung von der Agentur für Arbeit bezahlt wurde, mitzuzählen waren. Der EuGH befand, dass beide für die Schwellenwerte des § 17 KSchG relevant seien. Der Fremdgeschäftsführer unterliege wie ein „normaler“ Arbeitnehmer den Weisungen der Gesellschafterversammlung und sei deswegen unionsrechtlich als „Arbeitnehmer“ zu qualifizieren. Allein die Tatsache, dass er typischerweise über einen höheren Ermessensspielraum verfüge, stünde dem nicht entgegen. Deswegen sei er entgegen der Anordnung in § 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG, nach dem Organe von Kapitalgesellschaften aus dem Anwendungsbereich von § 17 KSchG ausgenommen sind, bei den Schwellenwerten zu berücksichtigen. Dass Praktikanten für die Schwellenwerte von § 17 KSchG mitzählen, soweit ihre Beschäftigung im Hinblick auf Rechte und Pflichten eine Gleichstellung mit den anderen Arbeitnehmern zulässt, entsprach schon vorher der herrschenden Auffassung. Insoweit stellt der EuGH lediglich klar, dass dies auch gilt, wenn ihre Vergütung nicht vom Arbeitgeber gezahlt, sondern über öffentliche Mittel finanziert wird. (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – C-229 / 14, „Balkaya“)
Anmerkung:
Auch wenn der EuGH ausdrücklich nur davon spricht, dass Fremdgeschäftsführer bei den Schwellenwerten von § 17 Abs. 1 KSchG zu berücksichtigen sind, stellt sich die Frage, ob diese Rechtsprechung auch i. R. v. § 17 Abs. 2 KSchG gilt, ob also Betriebsrat und Arbeitgeber nunmehr auch zu beraten haben, wie die Kündigung des Geschäftsführers vermieden werden kann. Dies wäre ein absolutes Novum im deutschen Arbeitsrecht.
Bereits im Fall „Danosa“ (Urt. v. 11. November 2010 − C-232 / 09) hat der EuGH entschieden, dass schwangere Fremdgeschäftsführerinnen als „Arbeitnehmerinnen“ zu qualifizieren sind und daher Kündigungsschutz genießen. Diese Rechtsprechung wird durch den Fall „Balkaya“ nun fortgesetzt. Abzuwarten bleibt daher, ob künftig auch in anderen Bereichen, in denen deutsche Gesetze auf europarechtlichen Richtlinien beruhen, Fremdgeschäftsführer bisher allein „normalen“ Arbeitnehmern zugedachte Ansprüche geltend machen können, z. B. im Urlaubsrecht oder bei Betriebsübergängen.
Quelle: www.cms-hs.net