Mit Urteil vom 18.03.2015 (10 AZR 99/14) hat das BAG entschieden, dass ein Rückfall in die Alkoholabhängigkeit nicht stets auf Verschulden des alkoholkranken Arbeitnehmers beruhe.
Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche aus übergegangenem Recht gem. § 115 Abs. 1 SGB X. Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Der beteiligte Arbeitnehmer
war seit 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Am 23.11.2011 wurde der langjährige alkoholabhängige Arbeitnehmer mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert und war im Anschluss hieran zehn
Monate arbeitsunfähig krank. Die Krankenkasse des Arbeitnehmers hatte für den Zeitraum vom 29.11.2011 bis zum 30.12.2011 Krankengeld i. H. v. 1303,36 Euro geleistet. Diesen Betrag forderte die Klägerin im Rahmen ihrer Ansprüche
auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht (§ 115 Abs. 1 SGB X) von der Beklagten. Nach Ansicht der klagenden Krankenkasse traf den Arbeitnehmer kein Verschulden an dem Alkoholmissbrauch. Die Beklagte
hielt die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nach dem erneuten Rückfall trotz stationärer Entziehungskur für selbst verschuldet. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.
Die Revision der Beklagten beim BAG hatte keinen Erfolg. Die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers war unverschuldet im entgeltfortzahlungsrechtlichen Sinn. Der Arbeitnehmer hatte daher einen Anspruch
auf Entgeltfortzahlung gegen die Beklagte. Zur Begründung führte das BAG aus, dass es sich bei einer Alkoholabhängigkeit um eine Krankheit handelt und auch nach durchgeführter
Therapie ein Rückfall nicht ausgeschlossen werden könne. Wird ein Arbeitnehmer wegen seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, kann nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse
nicht von einem Verschulden i. S. d. Entgeltfortzahlungsgesetzes ausgegangen werden. Die Entstehung der Alkoholsucht ist vielmehr multikausal, wobei sich die unterschiedlichen
Ursachen wechselseitig bedingen. Genauen Aufschluss über die willentliche Herbeiführung des Rückfalls kann im Einzelfall nur ein fachmedizinisches Gutachten geben. Im vorliegenden
Fall kam das sozialmedizinische Gutachten zu dem Ergebnis, dass kein Verschulden des Arbeitnehmers i. S. v. § 3 EFZG vorlag. Dies wurde mit der langjährigen und chronischen Alkoholabhängigkeit
des Arbeitnehmers begründet und dem sich daraus folgendem Suchtdruck. Hinweis für die Praxis: Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Verschulden des Arbeitnehmers,
dies gilt auch bei einem alkoholbedingten Rückfall. Die meisten sozialmedizinischen Gutachten werden wohl zu Lasten des Arbeitgebers ausgehen, da sich nur in Ausnahmefällen
feststellen lässt, dass ein Rückfall alleine auf das Verschulden des Arbeitnehmers zurückzuführen ist.